März 20, 2013

Ausstellungsparcours „Movements of Migration“

Movements of Migration. Neue Perspektiven auf Migration in Göttingen

Stadt ist Migration – diese Einsicht der Stadtforschung gilt auch für Göttingen, wie die letzten 400 Jahre Göttinger Stadtgeschichte zeigen. Ohne gezielte und aktive Zuzugspolitik der Stadt etwa im 17. Jahrhundert und ohne die verschiedenen Migrationsbewegungen wäre Göttingen heute noch das Dorf, das es ehemals war. Heute haben ca. 18,5 % der Göttinger Stadtbevölkerung einen Migrationshintergrund; sie kommen aus 172 verschiedenen Ländern – und hierbei sind die temporären ausländischen Studierenden oder Menschen ohne Papiere gar nicht mitgezählt. Göttingen stellt somit einen guten bundesdeutschen Durchschnitt in Sachen Einwanderungsrealität dar.
Doch in den offiziellen Darstellungen der Stadt findet diese Realität kaum Beachtung. Vielmehr wird sie von zahlreichen Akteur_innen der Stadtpolitik dethematisiert, ganz nach dem Motto: „Migration? Das höre ich zum ersten Mal!“ Auch ist das Stadtbild stark durch die idyllische Innenstadt, die Universität und eine sehr präsente Mittel- und Oberschicht geprägt; ganze Stadtviertel und Lebenswelten, die ungleich migrantischer sind, fallen hierbei aus dem Blick. Wie kann dies passieren?
Movements of Migration hat sich zum Ziel gesetzt, diese verunsichtbarten Realitäten und verdrängten Geschichten der Migration aufzusuchen, ihre leid- wie freudvollen Wege von Aufbruch und Ankommen sowie vom Ringen um Anerkennung und Teilhabe zu rekonstruieren und sie in der Stadtöffentlichkeit sichtbar zu machen. Dabei interessierte uns sowohl in der Forschung als auch in der künstlerischen Umsetzung zur Ausstellung nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart der Migration und die stadtpolitischen Versuche, sie zu steuern und zu regulieren.

Die Ausstellung
Die Ausstellung, welche in Kooperation zwischen der Universität Göttingen, dem Kunstverein und dem Integrationsrat realisiert wurde, basiert auf einem einjährigen Forschungs- und künstlerischen Umsetzungsprozess. Sie verlässt die klassischen Ausstellungsräume und verbindet in einem Ausstellungsparcours (siehe Karte) den Kunstverein im Künstlerhaus mit weiteren Stationen im Stadtraum. Das Rückgrat der Ausstellung bildet ein digitales Wissensarchiv, welches alle ausgestellten Arbeiten sowie alle verwendeten und recherchierten Materialien enthält und auch via QR-Codes von außerhalb besucht werden kann. Ein breites Veranstaltungsprogramm u.a. in dem Räumen der Ausstellung (siehe Veranstaltungsprogramm) und regelmäßige Führungen laden zu weiteren Möglichkeiten ein, sich Movements of Migration zu nähern.

Das Wissensarchiv
Das digitale Wissensarchiv bildet den zentralen Erinnerungsort der Ausstellung, der alle erforschten Materialien (Texte, Dokumente, O-Töne, Bilder, Sound …) und Umsetzungen enthält, auch jene, die nicht in den Installationen zu hören und zu sehen sind. Es will sie in einem nicht-hierarchisierenden Modus für die weitere Nutzung, Recherche und Ergänzung zugänglich machen. Das digitale Wissensarchiv soll vor allem signalisieren, dass das Lernforschungsprojekt – allein aufgrund der zeitlichen wie personellen Ressourcen – nur als Anfang eines Aufarbeitungsprozesses der Migrations-Geschichten in Göttingen verstanden werden kann, ein Prozess, der auf die Perspektiven und das Mittun der Migration selbst angewiesen ist. Insofern versteht sich das Archiv auch als erinnerungspolitische Aufforderung, endlich die Geschichte der Migration als bedeutsamen Teil der Göttinger Stadtgeschichte zu recherchieren.

Das Gesamtprojekt: Zusammenarbeit zwischen Forschung, Kunst und Aktivismus
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