Wien 2010

Tagung des Netzwerks Kritische Migrations- und Grenzregimeforschung
09. bis 11.07.2010 in Wien

Freitag 09.07.2010
10.30 – 11.30 Rundgang: Plattform Geschichtspolitik
11.00 – 13.00 Registrierung
12.00 – 13.30 Weltcafe, Buffet / Frühstück
13.45 – 14.00 Willkommen
14.00 – 16.00 Panel: Wie kommt die Kritik  in die kritische Migrations- und Grenzregimeforschung?
16.00 – 16.30 Kaffeepause

16.30 – 18.30 Workshops

  1. Residenzpflicht in Deutschland und Österreich
  2. Politische Bildungsarbeit im Kontext von Migration
  3. Entwicklungspolitik und legale Migration als neue Strategien des Migrationsregimes

18.30 – 19.30 Abendessen

20.00 Öffentliches Panel: Breaking the racist power relations…
Discussing Racism, Class and Anti-racist strategies

Samstag 10.07.2010
09.30 – 11.15 Plenum Manifest
11.30 – 13.00 Plenum Organisationsfrage und inhaltliche Perspektiven
13.00 – 14.00 Mittagessen

14.00 – 16.00 Workshops

  1. Kritische Methoden / Methodologie I
  2. The use of racial anti discrimination laws
  3. We have chosen to break that silence…

16.00 – 16.30  Kaffeepause

16.30 – 18.30  Workshops

  1. Kritische Methoden / Methodologie II
  2. Queer Migration
  3. Undokumentierte Arbeit und Organisationsstrategien

18.30 – 20.00  Abendessen

20.00 Öffentliche Veranstaltung: Film und Diskussion oder 20.30 Fussball

Sonntag 11.07.2010
10.30 – 14.00  Plenum / Refexion / Planung für nächstes Treffen / Ausblicke
14.00 – 15.00  Mittagessen
15.00 – 16.00  Abschied und/oder
16.00 Rundgang: Decolonising Vienna – Recherchegruppe zu Schwarzer österreichischer Geschichte

Das Netzwerktreffen wurde organisiert von: Ilker Ataç, Lisa Bolyos, Petja Dimitrova, Andrea Kretschmann, Irene Messinger, Petra Neuhold und Marion Stoeger
Gefördert von: Arbeiterkammer Wien, Graduiertenzentrum Sozialwissenschaften, MA 7 Wien Kultur, Grüne Bildungswerkstatt, ÖH der Universität Wien.

Beschreibung der Panels und Workshops

Wie kommt die Kritik in die kritische Migrations- und Grenzregimeforschung?

Fabian Georgi / Bernd Kasparek / Luzenir Caixeta (Frankfurt, Berlin/München, Linz)
Was kann das „Kritische“ an der von uns anvisierten kritischen Migrations- und Grenzregimeforschung sein? Diese Frage wurde seit den Anfängen von kritnet immer wieder diskutiert. Beantwortet ist sie (natürlich) noch nicht. Gleichwohl: Verschiedene Antworten sind in den letzten Jahren deutlicher geworden. Das Panel wird deshalb einen Raum bieten, (erneut) gemeinsam zu diskutieren, wie eine radikale, eine nicht-verkürzte Kritik an Diskursen, Praktiken, Lokalitäten und Institutionen der Migrationskontrolle geübt werden kann. Worauf kann sich eine solche Kritik stützen? Wovon muss sie sich auch eindeutig abgrenzen? Welche ambivalente Rolle spielen etwa Menschenrechtsargumente und das legalistische Pochen auf die Einhaltung juristischer Normen? Welche Bedeutung haben die in den Kämpfen der Migration implizit und explizit entwickelten „ethischen“ Positionen? Welchen Beitrag kann auch ein „materialistischer“ Kritikbegriff leisten, wie ihn die Frankfurter Schule benutzte?

1. Residenzpficht in Deutschland und Österreich
Franziska Brückner und Philipp Kuebart (Berlin), Tom (Wien)
Durch die Residenzpficht wird in Deutschland die Bewegungsfreiheit für Asylbewerber_innen und Geduldete auf den Landkreis bzw. das Bundesland beschränkt. Anträge auf das vorübergehende Verlassen bedeuten die Offenlegung auch privatester Angelegenheiten und werden von den Ausländerbehörden oft willkürlich abgelehnt, während Kontrollen bei Fahrten ohne Erlaubnis zur Kriminalisierung von Flüchtlingen führen.
In Anbetracht der aktuellen Verschärfungen der Aufenthaltsbeschränkung für Asylbewerber_innen wird es in dem Workshop auch um die Situation in Österreich gehen, wo mit der Asylgesetznovelle 2003 erstmals eine Gebietsbeschränkung für Flüchtlinge eingeführt wurde. Massive Einschränkungen der
Bewegungsfreiheit gibt es seit Inkraftreten der Gesetzesnovelle 2009 am 1.1.2010. Flüchtlinge dürfen während des Zulassungsverfahrens zum Asylverfahren den Bezirk nicht verlassen.
Wir wollen die Residenzpficht im Zusammenhang mit anderen Mechanismen der Ein- und Aussperrung von Flüchtlingen betrachten, die auf struktureller Ebene Rassismus befördern, sowie individuellen und organisierten Widerstand dagegen.Um neben den Inhalten auch Fragen der Darstellung und Vermittlung des Themas zu diskutieren, stellen wir die Ausstellung „Residenzpficht – Invisible Borders“ vor und zeigen Ausschnitte aus den Exponaten.

2. Politische Bildungsarbeit im Kontext von Migration: Kritik und gegenhegemoniale Wissensproduktion
Rubia Salgado (Linz)
Ziel des Workshops ist eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie Erwachsenenbildung – im Allgemeinen – und das Lernen und Lehren der hegemonialen Sprache Deutsch – im Speziellen – als ein gesellschaftskritischer Prozess in der Arbeit mit Migrant_innen gestaltet werden kann. Der Workshop knüpft an Positionen aus dem Fach Deutsch als Zweitsprache, vor allem diejenigen, die Sprache in ihrer Machtdimension betrachten. An Positionen aus der Erwachsenenbildung, vor allem diejenigen, die dekonstruktivistische Ansätze vertreten, die Bildung als einen Prozess zur Bedeutungskonstruktion (im Gegensatz zur Lernergebnissorientierung) verstehen, die Sprache als Handlung und als Mittel zur Mutmaßung einer anderen Realität betrachten. Weitere Positionen, woran er knüpft, entstammen aus Texten, die sich postkolonial denkend mit der Situation von Migrant_innen in Westeuropa auseinandersetzen. Im Workshop werden theoretische Ansätze mit Beispielen aus der Praxis (der Referentin und der Teilnehmer_innen) verschränkt und refektiert.

3. Entwicklungspolitik und legale Migration als neue Strategien des
Migrationsregimes

Helge Schwiertz, Jana Janicki, Thomas Böwing (Hamburg)
Anhand der Institutionalisierung des »Zentrum für Information und Migrationsmanagement« (CIGEM) in Mali sowie des Programms der EU-Mobilitätspartnerschaften wollen wir in diesem Workshop die Restrukturierungstendenzen des europäischen Migrationsregimes diskutieren. In beiden Fällen wird eine Verknüpfung des Kampfs gegen illegalisierte Migration mit entwicklungs- und zuwanderungspolitischen Ansätzen deutlich. Untersuchen wollen wir sowohl die politische Rationalität der Kontrolle als auch die umkämpfte Umsetzung ihrer Konzepte.
Die leitende Frage ist hierbei, inwiefern neben repressiven Ansätzen auch andere Formen der Mobilitätskontrolle zum Einsatz kommen und wie diese unterlaufen werden. Zum Teil basiert der Input auf den Ergebnissen und Erfahrungen unserer Feldforschung in Mali. Wir würden uns freuen, mit euch über unsere Erfahrungen und mögliche Interpretation dieser Restrukturierung zu diskutieren.

Öffentliches Panel: Breaking the racist power relations…
Discussing Racism, Class and Anti-racist strategies (in Engl.)

with: Araba Evelyn Johnston-Arthur (Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien, Pamoja – die Bewegung der jungen afrikanischen Diaspora in Österreich, A), Manuela Bojadžijev (Institut für Europäische Ethnologie, Humboldt-Universität Berlin, D), Eleonore Kofman (School of Health and Social Sciences; Middlesex University, UK

Ausbrechen aus den rassistischen Gewaltverhältnissen…
Rassismus, Klasse und anti-rassistische Strategien

Angesichts unterschiedlicher Gewaltformen des Rassismus müssen neue Konzepte und Strategien entwickelt werden, um jene rassistische Gewalt in Politiken und Praktiken in der postkolonialen und postmigrantischen Gesellschaft Europas nicht nur empirisch zu analysieren, sondern aktiv in die Diskurse einzugreifen und Rassismus auf den verschiedenen Ebenen bekämpfen zu können.
Das komplexe Verhältnis von Rassismus mit anderen gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse macht eine vielfältige Herangehensweise zum Konzept unabdingbar. Wir möchten deswegen ausloten, was jeweils die unterschiedlichen Zugänge zur Erklärung des Rassismus beitragen können. Auch wenn in den aktuellen Debatten über Rassismus kaum thematisiert, wird dabei die Klassenfrage neu verhandelt. Die unterschiedlichen Zugänge der Referentinnen bringen die
Perspektiven von Intersektionalität, institutionellen Rassismus und relationaler Theorie des Rassismus in die aktuellen Auseinadersetzungen ein.
Wie interpretieren die jeweiligen Ansätze die Neuordnung des Verhältnisses von Klasse und Rassismus? In welchem Verhältnis stehen das Begreifen und die Erklärung des Rassismus mit den antirassistischen Kämpfe und Strategien? Die theoretischen Ansätze müssen sich der Frage stellen, was sie hinsichtlich der Entwicklung antirassistischer Strategien zu leisten vermögen.
Diese Panel wurde organisiert von Ilker Atac, Petja Dimitrova und Irene Messinger.

1. Kritische Methoden / Methodologie I
Sabine Hess (München), Petra Neuhold (Wien), Katherine Braun (Hamburg), Luzenir Caixeta (Linz), Franziska Brückner (Berlin), Stephan Dünnwald (Lisboa)
Der Workshops widmet sich politischen, ethischen und praktischen Fragestellungen, die im Rahmen von empirischen Forschungen zu politischen Institutionen und NGOs virulent werden. Dabei geht es um praktische Aspekte wie beispielsweise um Fragen des Zugangs, aber auch um Fragen von Offenheit und Transparenz, von Nähe und Distanz zum Forschungsfeld bzw. um Fragen des eigenen Involviertwerdens, des Aktivismus und der Parteilichkeit. Gerade die letzten Aspekte verweisen auf neue Refektionsnotwendigkeiten in derartig hoch vermachteten Forschungsfeldern, die jedoch seien es nun NGOs oder politische Institutionen wie die IOM hinsichtlich der Wissens-Kultur und der Wissenspraktiken gar nicht so weit von unseren eigenen entfernt sind. Darüber hinaus soll der Workshop einen Raum für (erkenntnis)theoretische Refexionen etwa im Zusammenhang mit dem Begriff der Erfahrung bieten, um alternative methodologische/methodische Zugänge für eine sich kritisch verstehende Migrationsforschung zu diskutieren.

2. The use of racial anti discrimination laws. Gender and citizenship in a multicultural context
Eleonore Kofman (London)
Intersectionality has become in a very short time a signifcant theoretical concept in feminist research. However, it has multiple meanings and applications and raises a number of complex issues. In addition much of the empirical research has been largely based on individual socio-legal cases. In this presentation I will draw out some theoretical implications for the understanding of intersectionality from a comparative European project – GendeRace.

3. We have chosen to break that silence…
Araba Evelyn Johnston-Arthur (Wien)
Schwarze Bewegungen im Kontext von institutionellem Rassismus und zu ihren Unsichtbarkeiten in österreichischen antirassistischen Zusammenhängen.

1. Kritische Methoden / Methodologie II (Fortsetzung)

2. Queer Migration
Vlatka Frketic (Wien) – LEIDER ABGESAGT
Wenn im deutschsprachigen Raum Queer und Migration zusammengedacht werden, dann wird einerseits Queer zumeist mit sexueller Orientierung gleichgesetzt und andererseits erfolgt im diesem Zusammenhang eine diskursive Festlegung von „Migrant_innen“ auf eine patriarchal bedingte Homophobie. In diesem Workshop sollen die Interdependenzen von Sexualität, Grenzregimen, Migration und Nationalismus diskutiert werden. Welche Möglichkeiten eröffnen Kritiken von Black Queer Studies an heteronormativen Antirassismuskämpfen? Welche politischen Perspektiven ermöglicht das Konzept der „Queer Assemblage“, wie sie von Jasbir Puar beschrieben werden? Wie werden nationalistische Strukturen im Rahmen von Queer Migration reproduziert und verfestigt? Das sind nur einige Fragestellungen, denen im Workshop „Queer Migration“ nachgegangen werden soll.

3. Undokumentierte Arbeit und Organisationsstrategien
PrekärCafé (Wien), Birgit zur Nieden (Berlin), Lisa Riedner (München)
Der Workshop soll anhand von zwei Initiativen aus Deutschland konkrete Erfahrungen mit unterschiedlichen „Organizing-Tools“ zur Diskussion stellen und einen Austausch über Mittel und Ziele der Organisierung undokumentierter Arbeiter*innen befördern. Im Bereich „undokumentiertes Arbeiten“ verdichten sich verschiedene Aspekte der Prekarisierung von Arbeit und Leben. Kennzeichnend für die betreffenden Branchen sind etwa informelle Arbeitsverträge, fragmentierte Produktionsstätten oder undurchsichtige Unternehmensstrukturen. Hinzu kommt der zumeist unsichere Aufenthaltsstatus der Betroffenen. Wie können Prozesse der (Selbst-)Organisierung in diesem Bereich aussehen? Welche Mittel sind geeignet, solche Prozesse zu stärken und bspw. in Form von Kampagnen zu unterstützen?
Welche Strategien können entwickelt werden, um bestehende Einrichtungen bzw. Initiativen bekanntzu machen und in den unterschiedlichen Zusammenhängen zu verankern? Welche Erfahrungen mit konkreten „Organizing-Tools“ (bspw. Mapping,“aufsuchende“ Informations- und Beratungstätigkeit) wurden bereits gemacht oder könnten für diesen Bereich adaptiert werden? Und welches Ziel jenseits der bloßen „Mitgliederwerbung“ sollen Organizing-Projekte in diesem Zusammenhang überhaupt verfolgen?
Im Rahmen des Workshops möchten wir uns anhand der Werkvertragskampagne der Münchner „Initiative für Zivilcourage“ sowie der Aktivitäten des Berliner „AK undokumentierte Arbeit“ über diese und ähnliche Fragen austauschen.